.

Dienstag, 25. Januar 2011

3,2,1, Meins ?

Mobilität. In letzter Zeit wurde viel darüber gesprochen, diskutiert, ja sogar demonstriert. Ob Stuttgart 21 oder witterungsbedingte Zugverspätungen, Ausfälle von Heizungsanlagen, die Deutsche Bahn und ihre Tochtergesellschaften standen immer wieder im Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit. Doch rücken wir einmal ab von diesen durchaus wichtigen Themen und sprechen wir über Sinn und Unsinn, über Logik, über ein Thema, dass mir mittlerweile so stark am Herzen liegt, dass ich es mir selbst nicht länger verzeihen kann, nicht darüber zu schreiben. Nachts sind alle Katzen grau. Gilt das auch für Straßenbahnen? Wann spricht man von einfachen Abweichungen? Durch wieviele Anomalien entsteht ein neues Muster? Und wann beginnt der vollkommene Wahnsinn? Die meisten werden angesichts der folgenden Zeilen wohl entweder die Nase rümpfen oder mir im besten Fall einfach nicht glauben, aber ich versichere, es hat sich alles genau so zugetragen, wie es hier zu lesen ist. Nur soviel: es geht um Zahlen.

Es ist Nacht. Tiefe Nacht. Ich befinde mich auf dem Heimweg. Zurück von einer der typischen WG-Partys, die zu gut waren um früh zu gehen und zu lahm waren um sich erst am folgenden Morgen aufzuraffen. Sprich, man befindet sich in der gut bekannten Nahverkehrsfahrplanlücke, in der man nicht genau weiß, ob man nun gerade zwei Minuten zu spät an der Haltestelle eintrifft oder zwei Stunden zu früh, was meist das gleiche ist. Ich nähere mich also meinem vorläufigen Ziel, der Haltestelle S-Finanzzentrum/Benaryspeicher im Zentrum Erfurts. Ich warte auf die Linie 2 der Erfurter Verkehrsbetriebe, um mit ihr bis zur Haltestelle Anger zu fahren, Erfurts Hauptstraßenbahnknotenpunkt. Wie auf der Karte unten zu sehen ist geht meine Reise also von West nach Ost. Ich erblicke nach einiger Zeit eine Bahn in der Ferne. Gerettet, die Heimfahrt kann also endlich angetreten werden. Oder etwa nicht? Die Straßenbahn, die sich meinem Standpunkt nähert, trägt mit einem fast gespenstischen Leuchten eine strahlende 3 auf ihrer Frontanzeigetafel. Was hat das denn nun wieder zu bedeuten? Die 3 (siehe Markierte Route) fährt doch nur von Nord nach Süd und vice versa. Langes überlegen ist jetzt allerdings nicht angebracht. Knopf gedrückt, Tür geöffnet, Platz gesucht, Blick aus dem Fenster, Hoffen. Die Bahn biegt ab, sie fährt Richtung Norden, "Verdammt!", denke ich, "Falsche Richtung!". Sie fährt weiter über den Domplatz und biegt wieder ab Richtung Südosten, ich kann mich also wieder zurücklehnen und komme wenig später, etwas verwirrt am Anger an. Eine Bahn wartet auf dem Platz schräg gegenüber bereits, den weg der Bahn zu kreuzen, mit der ich gerade angekommen bin. Aber Moment, noch eine 3? Sie kommt also von Osten, von Norden, und von Westen, fährt Richtung Süden, oder doch nach Westen. Ich komm da nicht mehr mit. Ich denke mir: "Na gut, wenn alle Bahnen, die heute fahren die selbe Nummerierung haben, könnte man sie sich dann nicht auch sparen?". Was auch immer, ab nach Hause, schlafen, es gibt wichtigeres.



Zwei Tage später:     

Ähnliche Grundsituation. Haltestelle Baumerstraße. Auf der Anzeigetafel der Haltestelle steht, ich müsste noch ungefähr zwei Minuten auf die Linie 3 warten, kurz gefreut über die Punktlandung, kein langes in der Kälte stehen, super! Doch was ist das? Die Bahn nähert sich, aber es ist eine 2, die mich nun fast schon hämisch vom Kopf des Zuges anlacht. Eine Linie also, die normalerweise nur als Ostwest-Verbindung verkehrt. Auch sie brachte mich letztlich wieder an meinen Zielort, allerdings muss ich eingestehen, dass ich mir dessen nicht sicher war, als ich einstieg.

Die Kuriositäten nehmen kein Ende, nein, es scheint viel mehr so zu sein, als würde es nur immer verwirrender werden, mit jeder Nacht, die eine Fahrt mit der Straßenbahn beinhaltet. Nein, es ist auch nicht immer so. Glaubt bloß nicht ihr könntet euch auf das Chaos einstellen und euch Möglicherweise die abweichenden Routen einprägen. Ab und an fahren die Bahnen auch nach ihrem normalen Tagesfahrplan. Das hält sie aber auch nicht davon ab eine Nordsüd-Verbindung wie die Linie 1 an manchen Nächten so fahren zu lassen, das man egal in welche Richtung man fährt wieder im Norden Erfurts landet und ich spreche nicht von einer Ringbahn. Ja, das ist Möglich!

Alles in Allem stellt sich nun mit unglaublichem Nachdruck die Frage nach Sinn und Unsinn dieser Begebenheiten. Lässt sich hier eine Struktur erkennen? Vielleicht ein großer, brillanter Plan auf einer gut durchdachten Metaebene? Ich persönlich kann ihn nicht erkennen. Nennt mich traditionell, konservativ oder einfach nur LOGISCH, aber ich dachte, dass die verdammten Nummern auf der Straßenbahn dafür da wären, mir als Passagier eindeutig zu zeigen wo ich überhaupt hinfahre! Ich meine, welchen anderen Zweck könnte die Nummerierung von Fahrtrouten haben als eben diesen? Wer ist dafür verantwortlich, wessen Idee war das,

WIESO?!               WESHALB?!               WARUM?!

Ist es den Fahrern vielleicht zu langweilig immer die selbe Strecke zu fahren? Denken sie sich: "Oh man, wo führt diese Schiene wohl hin? Ich sollte heute Nacht mal unbedingt ganz woanders lang fahren. Oder nein, das währe viel zu berechenbar! Ich werfe besser eine Münze an jeder Weiche!" oder handelt es sich womöglich um einen geschickten Schachzug der Evag-Verwaltung den Nachtschwärmern das Bahnfahren auszutreiben "Hey, du möchtest nach Hause? Dann steig ein, wenn du dich traust!". Wenn das der Fall sein sollte, vielleicht sollte man diese Tipps dann an die Berliner S-Bahn weitergeben, damit endgültig Niemand mehr mit ihr fährt. Ja es gibt Wichtigeres, ja Hauptsache, die Bahnen fahren überhaupt, ja, ja, ja, aber dennoch: WHAT THE FUCK?!

7 Kommentare:

  1. Oh du trivialer Alltag!

    AntwortenLöschen
  2. Strukturelle Selbstwidersprüche sind weder trivial noch alltäglich, zumindest sollten sie das nicht sein... Es geht selbstverständlich ums Prinzip.

    AntwortenLöschen
  3. Erfurter Märchenland der Straßenbahnfahrer, die Nachts mal so richtig wild sein dürfen!

    AntwortenLöschen
  4. das klingt eindeutig nach Skulls&Bones. Verschwörung der Verkehrsbetriebe! ich tippe auf den versuch den erfurter bürgern endlich das Laufen beizubringen http://senf-blog.blogspot.com/2010/04/einkaufsverkehr.html#more

    AntwortenLöschen
  5. Das scheint in der Tat das fehlende Puzzlestück zu sein! Also womöglich doch ein genialer Masterplan!?

    AntwortenLöschen
  6. Also was Erfurt macht, es macht was falsch...Erst ist es nicht aufregend genug hier, dann baut die Stadt mal ein wenig Rätselraten (es hat dich offensichtlich beschäftigt und somit etwas Zeit in Anspruch genommen) ein, damit es ein wenig spannender wird und dennoch beschwert man sich ;)

    Meine Erklärung zum Mysterium:

    Nachts werden Linien, die sonst NICHTS miteinander zu tun haben (West-Ost/Nord-Süd was ist das?) zusammengelegt. Das soll nicht heißen, dass das gut erklärt ist, gut ausgeschildert wurde oder in irgend einer Weise logisch ist. Aber es ist zumindest eine Erklärung.

    Hiermit also meine Forderung an die EVAG:

    1) Seid logisch, damit What son nachts schlafen kann.
    2) Erneuert eure Pläne, damit der Erfurter Bürger die Welt versteht (nicht, dass er das dann generell täte, aber man würde es ihm zumindest leichter machen).
    3) Fahrt häufiger.
    4) Baut Anti-Stinkende-Penner-Sensoren mit automatischen Waschanlagen ein.
    5) Macht Stille-Zonen für diejenigen, die weder Musik aus Handylautsprechern hören, noch von Kindern angeschrien werden wollen (funktioniert in der S-Bahn in Dänemark wunderbar!).
    6) Bringt den Erfurtern nicht das Laufen, sondern das zivilisierte Ein- und Aussteigen, sowie Durchrutschen/-laufen/-kriechen/-bewegen bei! (wenn das passieren würde, würde ich sogar die Irrationalität der nächtlichen Bahnbeschilderung verzeihen!!!)

    Soviel dazu.

    AntwortenLöschen
  7. und da fragt man sich warum menschen sich vor straßenbahnen werfen...

    AntwortenLöschen