.

Montag, 24. Januar 2011

Unterhaltung made in USA – Politik auf dem Spielfeld

Palin vor, noch ein Tor! Saftige Blutgrätsche von Obama, Palin windet sich am Boden. Fox News zeigt auf den Elfmeterpunkt. Spielvorteil: Sarah Palin. (Die Frau, die in ihrer eigenen Reality-Show mit Bären tanzt, Lachse fängt und so ganz nebenbei die Welt rettet.) Wie ein schlechtes Fußballspiel erscheint einem der politische Hickhack in den USA. Es geht vor und zurück, es wird angegriffen und verteidigt aber konstruktiv ist dieses Geplänkel nicht. Politische Tore fallen nur wenige. Es gibt keine Gewinner und keine Verlierer. Nur die ernsthafte Auseinandersetzung mit politischen Themen verlässt allmählich hinkend das Spielfeld.

Einen Höhepunkt fand das Spitzenspiel zwischen Obamas Demokraten und Palins Tea-Party in der Diskussion um das blutige Attentat auf die demokratische Kongressabgeordnete Gabrielle Giffords in Arizona. Der Angriff sei die Folge scharfer Polemik, ganz anders als sonst so, wenn man den „Ballerspielen“ eindeutig den schwarzen Peter zuschiebt und sie als Antrieb für einen jungen 22-Jährigen Todesschützen verantwortlich macht, der zuerst zielgerichtet einer Abgeordneten und danach mehreren anderen Menschen Kugeln in den Leib ballert. Einige Demokraten schossen sich mit ihren Anschuldigungen Salve für Salve auf Sarah Palin ein: Die hatte schon mehrere Wochen vor dem tödlichen Anschlag auf ihrer Website bestimmte Wahlkreise und deren demokratische Kandidaten mit Fadenkreuzen versehen. „Lasst uns die 20 zurückholen“ – 20 Wahlkreise in denen 20 Demokraten für die Gesundheitsreform von Obama stimmten. Unter ihnen: Gabrielle Giffords (BILD). Man kann diese Aktion schimpfen wie man will: unüberlegt, hetzerisch oder einfach nur dumm. In jedem Fall trägt sie wenig zu einem Klima der Toleranz und zur vernünftigen Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner bei. Denn, wie komplex die Motive des Attentäters auch sein mögen: die eigentliche Tat irgendwie mit Sarah Palins Reokkupationsvorhaben zusammen zu bringen, ist ein Gedanke, der einem nur allzu leicht durch den Kopf schiesst. Apropos Kopf. Vielleicht ein bisschen mehr an deiner Rhetorik arbeiten und weniger frische Luft in Alaska schnuppern, liebe Sarah Palin. Das macht dein Hirn sowieso nur weich.

New Left Media

Ballbesitz Demokraten. Doch Palins Team lässt sich nicht lumpen und verhält sich taktisch klug. Die Mannschaft instrumentalisiert ganz einfach ihre Fans. Ein junges, amerikanisches Journalisten-Duo namens „New Left Media“ offenbart uns diese Taktik, indem es mit Besuchern bei Tea-Party-Veranstaltungen spricht. Das Gedankengut, welches sich wie ein roter Faden durch die Interviews zieht, erscheint wie eine grotesk-gründliche Wiedergabe der Tiraden konservativer Fernsehmedien, insbesondere der Nachrichtensendung Fox News. Obama sei eigentlich Muslim und ein Sozialist und ein Rassist und ein ganz großer Kommunist. Phrasen werden gedroschen wie sonst nur die verkrampften Hinterbacken lüsterner Geschäftsmänner, Ausdrücke werden sinnentfremdet, politische Themen banalisiert und in einem fast schon erschütternden Maße auf eine Perspektive beschränkt. Dass eine Dame die „Neun Prinzipien von Glenn Beck“, dem Anchorman bei Fox News als Aufdruck auf ihrem T-Shirt trägt und dabei ihre Loyalität zu dessen Auffassung einer „ordentlichen Gesinnung“ für amerikanische Bürger ausdrückt, scheint die Spitze des Eisberges einer einseitigen Informationsbeschaffung und medialer Verblendung zu sein. Na dann Prost, Mahlzeit:





Wer sich schon mal mit den Fox News auseinandergesetzt hat, weiss, dass die Nachrichtensendung aus dem Hause Rupert Murdoch (großer, mächtiger Medienmann) eher einer Nachrichtenshow gleicht, als einem ernst zu nehmenden Informationsmedium. Ganz klar anti-Obama und pro-konservativ verbreitet die Sendung Tag für Tag ihre Färbung an, wie es scheint viele, ach so leichtgläubige US-Bürger. Ein Nachrichtenangebot, das wie eine mittelgute Zirkusshow daher kommt und Sarah Palin (ja, die mit der großartigsten rhetorischen Gabe von Welt) langfristig als Kommentatorin in Szene setzt, kann mit Fug und Recht als Heimatsender für die Tea-Party bezeichnet werden. Aus ernsten Themen wird ein leicht bekömmliches und ziemlich einseitiges Unterhaltungspaket geschnürt. Die Zuseher nehmen diese Offerte naturgemäß mit offenen Armen und verschlossenen Hirnen in Empfang, denn leicht bekömmlich heißt leicht verständlich. Guckst du Fox, dann weisst du was! Und bist genauso blind wie wir… oder so.

An der Medienbrust

Die politische Einstellung der „New Left Media“ ist schwer zu übersehen. Dass die zwei Studenten in einem 10-minütigen Beitrag wahrscheinlich die extremsten Ansichten aufgreifen und keinesfalls alle Tea-Party-Demogänger interviewen, versteht sich von selbst. Ich finde das Ergebnis allerdings durchaus interessant. Es offenbart nämlich in anschaulichster Form mehrerlei: Erstens unsere notwendige Abhängigkeit von Medien in stark technologisierten Gesellschaften und die dadurch erhöhte Anfälligkeit für Propaganda durch Eingriffe der verschiedensten Interessen, die Tag für Tag unseren Denkapparat anzapfen. Darüber hinaus wird unser grundlegender, aber in einer individualisierten und komplexen Gesellschaft in mancherlei Hinsicht vielleicht noch viel stärkerer Drang nach Sicherheit und Vertrauen ersichtlich, der sich auch in einem bewussten und kontinuierlichen Konsum bestimmter, die eigene Meinung unterstützender Medien äußert. Dass es überhaupt Leute gibt, die das Mediengebrabbel in dieser krassen Weise völlig unreflektiert und fast eins zu eins wiedergeben können, zeigt außerdem, wie gut die Propagandamaschine funktioniert, angetrieben von nur wenigen aber dafür umso härteren Populisten und einem leistungsstarken Medienmotor der sogar mit Dummsprit läuft. Natürlich gibt es auch hierzulande und sonst wo Populismus in verschiedenen Ausprägungen. Allerdings bauscht sich das Rumgekeife in den USA allmählich zu einem wirklich absurden Megapopulismus auf, der einmal durch seine inhaltliche Armut und Komplexitätsbeschneidung konstruktivem und fair geführtem Diskurs immer weniger Chancen lässt und darüber hinaus dafür sorgt, dass sich die Fronten zwischen den Bürgern verhärten. Der Bürger wählt und fiebert, löst sein Ticket und wird drinnen für dumm verkauft. Sowas gibts sonst nur beim VfB Stuttgart.

3 Kommentare:

  1. Auch wert Eurer Berichterstattung: Restore Sanity
    http://www.thedailyshow.com/
    http://www.youtube.com/watch?v=9JnDY2Gv5YQ

    Ich warte darauf!

    AntwortenLöschen
  2. ja.. schöne Sache. wollte ich ursprünglich mit reinbringen, hätte aber dann ein zu gutes Ende gehabt ;) kommt noch...

    AntwortenLöschen
  3. wunderbar! ich freu mich!

    AntwortenLöschen