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Montag, 6. Dezember 2010

Weihnachtszeit – mal durchziehen


 Die Weihnachtszeit beginnt mir eigentlich immer viel zu früh, nervt viel zu lang und ist mir viel zu aufgesetzt und zu nett. Woher kommen die Menschen mit goldig geröteten Wangen, tropfenden Nasen und scheiss heiligen Gesichtern die einem ihren Nebenplatz in der Bahn anbieten oder den Briefschlitz am Briefkasten der Deutschen Post aufhalten, damit man seine stempelartig gefertigte Weihnachtspost wie jedes Jahr an die Sippe in ganz Deutschland verschicken kann? Hätte sie die Klappe doch zufallen lassen und mir die Finger eingeklemmt! Ich sage mürrisch „Danke!“ und sie kommt mir mit „Gerne!“ Verdammt sind denn alle verrückt geworden? Oder saufen die Leute einfach zu viel Glühwein?

Auch Glühwein geht mir gehörig auf den Sack. Ich krieg immer Bauchweh davon. Als Südwestdeutscher kenne ich guten Wein und Wein heiss zu servieren ist eine wirkliche Schandtat! Sowas gehört echt verboten! Das ist so wie Weissbier aus der Flasche zu trinken oder eine bekackte Wurst am Stück mit Currypulver und Aldi-Ketchup zu überschütten und dann zu behaupten das sei eine Currywurst. Aber klar zur Adventszeit ist anscheinend alles erlaubt! Jesus hält seine schützende Hand und seinen heiligen Schein über alle Weihnachtstreuen und die dürfen nunmehr machen was sie wollen! Natürlich! Nehmt die Gänse aus, fällt die Nadelbäume, stellt die Tannen in euer Haus und beschwert die Äste mit hässlichen Kugeln und kleinen, von Kindern aus der dritten Welt geschnitzten Holzengeln. Dann noch ordentlich Geschenke drunter, ganz viel umweltschädigendes Geschenkpapier drum, welches eure Produkte der bösen Firmen dieser Welt umhüllt. Dann beim Auspacken so tun als wisse man nicht, dass Oma wieder Socken gekauft hat. Gleich darauf bedanken und Freude vortäuschen! Und der Organizer, Himmel wie schön, wie jedes Jahr! Darauf mit Wein aus dem Schuldenstaat Griechenland anstossen, richtig dekadent irische Musik hören, sich auch noch wohlfühlen und miteinander quatschen! Echt super! Wie wärs denn lieber Heiland, wenn wir gleich alle Gefängnisse öffnen, Waffen verkaufen, den Kindern Zigaretten statt Stickern verkaufen. Obendrauf gäbe es dann noch ne kostenlose Dose Bier, deren Zifferncode auf der Website von Coca Cola eingelöst werden kann und die Aufenthaltsorte aller bekannten Crackdealer preisgibt. Komm schon, weil doch Weihnachten ist! Dann sind alle Kinder zur Adventszeit in der Schule auf Crack, raffen nichts mehr, halten die USA plötzlich für den Irak und andersrum, Barack Obama für Osama bin Laden und den für Rainer Langhans. Sie saufen in den Pausen, stechen ihre Lehrer ab, brennen Mülleiner an, schlagen sich um Crack, rauchen Crack, schlagen sich drum, schlagen Lehrer, rauchen mit Lehrern Crack, stiften die Lehrer zum Crackholen an. Dann kommen sie nach Hause, kurz vor Weihnachten. Sie kotzen die Wohnung voll. Die Eltern fragen sich was los ist. Die Kinder pöbeln, wollen nur Crack. Die Eltern glauben das sei ein Scherz, nein ist es nicht, die wollen wirklich Crack! Dann laden sie all ihre Crackfreunde ein, es ist der 24. An Heiligabend wird geraucht, gesoffen, gepöbelt, die 12-Jährige besorgts dem Papa, die anderen filmen das mit ihren iPhones, stellen es auf Facebook, augenblicklich entsteht die Gruppe „Crackhure fickt Opa“, die hat nach kurzer Zeit 500 Fans. Einige der Facebook-Freunde kommen zur Feier. Sie rauchen Crack, saufen, schlagen die Mutter, rauchen Crack, haben iPhones, haben die Facebook-App. Das Crack geht an dem Abend nicht leer, denn jeder verschenkt nur Crack. Das Crack haben die von den Dealern, deren Wohnorte kennen sie von der Coca Cola Website. Die Codes von den Bierdosen aus dem Kiosk. Dort gibt’s noch mehr Dosen, mehr Codes, mehr Dealer und noch viel mehr Crack! Santa Crack! What´s crackin? Wo ist plötzlich der Sinn? Wo ist der Halt, wo ein Stück Wirklichkeit?

Ein Crack-Weihnachten wär schon ganz abgefahren, mal ehrlich. Aber ich will es nicht. Klar stört mich die Adventszeit und die Leute gehen mir so unglaublich auf die Nerven, dass die Zeit der höchsten Besinnlichkeit für mich persönlich die Zeit der höchsten Selbstmordgefährdung ist. Aber wenn ich dann am 24. Dezember unter dem nadelnden Weihnachtsbaum sitze und mich wie all die Jahre zuvor verzaubert fühle, meine Familie um mich habe, dann ist es für kurze Zeit so als gäbe es keine Probleme. Als gäbe es diese Missstände über die der Senfblog eine ganze Tube ausdrücken würde an diesem Tag einfach nicht und als wäre die ganze Welt an diesem einen Tag „okay“. Es ist kein Gefühl unsagbarer Freude oder des Übermuts. Es ist auch nicht aufregend und enthusiastisch wie nach einer Pfeife Crack. Es ist eher wie nach einem guten Joint: Zurücklehnen und entspannen. Die Welt mit anderen Augen sehen. Ein gutes Gefühl.

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