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Dienstag, 14. Dezember 2010

Julian Assange - Gandalf der Wissensgesellschaft


Mittelerde befindet sich im Chaos. Banker treiben im Lande Mordor ihr Unwesen und drehen krumme Dinger mit unsichtbarem Geld. Mysteriöse Menschen mit krummen Säbeln versetzen die Menschheit in Angst und Schrecken und die Politik kocht in ihrem Elfenbeinturm heimlich, still und leise und mit heruntergezogener Hose ihr eigenes Süppchen. Doch ein Mann ist gekommen, uns zu retten, den Politikern ihre Buchse ordnungsgemäß in die Kerbe zu knallen, den Säbelmenschen ihre Säbel wegzunehmen und für das unsichtbare Geld endlich mal normale, greifbare Güter, nämlich Koks und Nutten zu kaufen. Sein Name ist „Julian Assange“ und was kann schon „Gandalf der Graue“.

Assange spart sich Rauschebart, Hut und Wanderstock und kommt um Welten besser an, als es der alte Gandalf trotz seiner magischen Kräfte je vermocht hätte. Denn Assange hat mit seiner Organisation Wikileaks vor allem eines: Informationen. In unserer Gesellschaft bedeuten Informationen eine Menge Macht, sagen die Mächtigen. Doch wie einflussreich sind die Veröffentlichungen, denen Wikileaks ein starkes öffentliches Interesse unterstellt? Welchen konkreten Nutzen ziehen wir aus dem Wissen über die diplomatischen Kinkerlitzchen der mächtigsten Politiker oder darüber, dass Soldaten mit Menschenleben spielen? Fürs Erste eine große Menge heiße Luft…


Internet als Hypemaschine

Grenzenlose Freiheit und mehr demokratische Teilhabe prophezeit uns das Internet mit seinen vielen Funktionen, Daten und Kommunikationsmöglichkeiten. Was man spürt ist, dass das Internet vieles einfacher und schneller macht, unserer Bequemlichkeit in die Hände spielt und  gut zu unserem Geltungs- und Zerstreuungsdrang in einer immer schnelllebigeren und zunehmend individualisierten Gesellschaft passt. Ich kann verschiedene Rollen in Onlinespielen annehmen und in Social Networks meine Identitätsshizophrenie ausleben, kann mir von der Pizza bis zur dicken Frau fürs Facesitting so ziemlich alles bestellen und – das Novum des Internets schlechthin - ich kann unfassbar einfach und ohne Verzögerung selbst Inhalte produzieren und publizieren.
Das Internet kann als ein virtuelles Abbild der Welt angesehen werden. Genauso wie sich unsere Welt von Diskursen und Machtstrukturen durchzogen zeigt, bleibt auch das Internet nicht von einer gewissen Strukturierung, beispielsweise durch Kommerzialisierung und, ganz allgemein, von Intervention der verschiedensten Interessen aus Politik und Gesellschaft verschont. Diese Feststellung mag trivial erscheinen. Sie ist aber zwingend notwendig, da sie eine gewisse Relativierung der Vorzüge des Internets darstellt und uns vom digitalen Highway auf den Boden der Tatsachen zurückführt. Denn: nicht Technologie und Verbreitung, sondern wir als Menschen machen das Internet zu dem was es ist. Es ist zum Glück nicht zu einem riesengroßen wir-sind-alle-Freunde-und-haben-uns-lieb-und-ich-hab-mir-gerade-einen-hartnäckigen-Schmierpopel-entfernt-gefällt-mir-Facebook á la Mark Zuckerberg geworden. Es ist aber auch kein Allheilmittel für gesellschaftliche Probleme per se, da die Gesellschaft außerhalb der virtuellen Welt existiert und unsere Konflikte und Herausforderungen in erster Linie durch reales Handeln in Angriff genommen werden müssen. So reicht es nicht aus meinen Status mit dem Popel zu aktualisieren, denn wenn ich den Störenfried beseitigen will, dann muss ich ihn mit meinem Finger schon eigenhändig lokalisieren und aus dem Riechkolben ziehen.

Im Netz nichts Neues

Dass Julian Assange als Informationsmessias guten Willen beweist und uns Zugang zu geheimen Dokumenten gewährt ist vielleicht eine der notwendigen aber längst nicht die hinreichende Bedingung um die Ideale freier Menschen zu verteidigen. Viele Verbrechen der vermeintlichen „Eliten“ und Mächtigen, die uns in Nationalstaaten einkasteln und unsere Rechte andauernd beschneiden sind uns sehr wohl bekannt und sie waren das bereits vor den Zeiten von Wikileaks und Co. Dennoch schreiten Korruption auf Seiten der Politik und Entpolitisierung der Bürger unaufhaltsam fort. Der Wahlgang wird zur unangenehmen Selbstverpflichtung und Demonstrationen entwickeln sich zu Wutausbrüchen mit vorhersehbarem Ausgang: dem gesellschaftlichen Rückschritt. Während die Mächtigen unaufhörlich Spielregeln brechen, gehen wir ständig nicht über Los und ziehen keine 2000 D-Mark ein. Im Augenblick lassen wir unser Schicksal von unbehelligten Händen erwürfeln. Die kritische Masse ist noch nicht erreicht. Der Druck auf Regierungen ist deshalb noch relativ gering und erhält den politischen Algorithmus. Denn wenn Merkel vor der nächsten Wahl ein wenig nach den Regeln spielt, sind unsere Gemüter auf der Stelle beruhigt und das Kreuz auf dem Wahlzettel gesetzt. Ziemlich krank erscheint die Tatsache, dass diese Regeln aus leeren Versprechungen bestehen. Wir dürfen uns quasi einmal die Schlossallee anschauen, bevor es - naja ihr wisst schon - nicht über Los geht und das mit den 2000 D-Mark auch nicht passiert. Dennoch ein gutes Gefühl mal wieder gehofft zu haben.


So läuft es schon eine ganze Weile und irgendwie sind wir jedes Mal wieder die schweigenden Spielfiguren, die wir mindestens genauso starr und unbeweglich sind wie das Holz aus dem wir geschnitzt wurden. Nicht umsonst bescheinigt man unserer Generation politisches Desinteresse, ideelle Trägheit und behagliche Untätigkeit. Das Internet kommt dieser Lebensweise weit entgegen. Julian Assange wird vom heimischen Schreibtisch aus gehuldigt, es werden fleißig Links verschickt, „gefällt mir“-Buttons geklickt und man wartet mit Tee und warmen Socken auf die nächste bahnbrechende Enthüllung: auf den Tropfen der lieber auf den heißen Stein fällt, statt das volle Fass zum Überlaufen zu bringen. Dank uns.


Die kritische Masse

Allerdings, und jetzt darf ich mich endlich am eigenen Schopf packen und aus dem Sumpf der Depression ziehen, bekommt Wikileaks zunehmend Aufmerksamkeit und das besonders durch die Netzgemeinde. Ich will an die kritische Masse erinnern, denn der aktuelle Zustand kennt eine Richtung: Wir müssen darüber reden. Das Geschwätz muss aber über Cyberangriffe hinaus gehen, muss die traditionelle Öffentlichkeit von der Familie bis zur Studentenkneipe durchdringen und darf sich nicht auf den virtuellen Raum beschränken. Die etablierten Medien sind dabei keine allzu große Hilfe. So scheinen Julian Assanges Beziehungen zu Frauen derzeit weitaus wichtiger zu sein als die Informationsmacht seiner Organisation zu diskutieren. Wir sollten uns auch nicht an der Rolle von Julian Assange orientieren. Dieser mag zwar verdammt weißes Haar haben, mehr als einen Gandalf 2.0 darf man in ihm jedoch nicht sehen. Assange weist den Weg. Gehen müssen wir ihn selbst. Wie Frodo und seine Hobbitkollegen, nur ohne die haarigen Füße.

Natürlich tragen Gespräche nicht direkt zu einer gesellschaftlichen Veränderung bei. Bringt man sich und andere allerdings zum Nachdenken, geht man einen Schritt in die richtige Richtung. Man hinterfragt, kritisiert und andere tun es einem gleich. Wenn nun so viele Menschen hinterfragen und kritisieren dass ein kritischer Punkt erreicht wird, an dem das hinterfragen und kritisieren für die festgefahrenen Strukturen einen neuen Nutzen darstellt, wenn Regierungen sich zwangsläufig der Unzufriedenheit stellen müssen, dann sind echte politische Reformen vorstellbar. Denn dann wird manipulatives Monopoly unspielbar und die Mächtigen sind gezwunden sich neue Regeln zu überlegen. Sie sind gezwungen mit den Forderungen mündiger Bürger zu leben. Leute wie Julian Assange können dann ungehindert und völlig frei, nützliche Hinweise für ein friedliches „Mensch, ärgere Dich nicht!“ geben. Vielleicht eine naive Utopie. Eines steht allerdings fest und daran kann eine Regierung rütteln so viel sie will: In jedem von uns steckt ein bisschen Frodo!


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6 Kommentare:

  1. geht schon klar mit genügend lembasbrot

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  2. wirtschaftlichkeit ist den massenmedien doch sowieso wichtiger als meinungsfreiheit und tranzparenz. sie würden also an ihrem eigenen ast sägen, wenn sie mehr als julian A. belichten. unsere schönes secondlife sollte man aber nicht so entmächtigen.
    vielleicht sind DoS angriffe eine gute neue form der demonstration. global angemessen. greift direkt die orks an und kein politikerschutzschild.
    so ungefähr: LOIC - dein neuer stimmzettel
    oder so.

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  3. zu den massenmedien: is klar, bestreite ich auch nicht. die aussage über die berichterstattung im fall assange unterstützt deren offensichtliches interesse ja im grunde nur. mag sein dass angriffe auf VISA usw. gut sind. kann aber auch sein dass die politik darin einen grund sieht weiterhin auf zensur zu pochen. zusammenhang oder so. der jugendmedienstaatsvertrag liegt jetzt erst einmal auf eis, vergelts gott. ich bin unserem instrument internet in keinster weise abgetan, halte es jedoch für sinnvoll und weniger entmächtigend, einen schritt zurück zu gehen, mal das normative fahrwasser zu verlassen und sich anzuschauen was das internet im moment wirklich leisten kann. es gibt einen haufen leute die online sind. laut ard/zdf onlinestudie in DE 70 %. Welche bedeutung hat das internet für diese 70 %? warum, wie und wie intensiv wird es genutzt? Wikileaks Video: Kann man sich angucken. Depeschen: mühsamer zugang. Top-Blogs? Spiel, Spaß und Spannung. und dann noch die offliner... alles in allem mit vorsicht zu genießen. tendenz auf jeden fall positiv aber in ganz vielen köpfen noch nicht angekommen.

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