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Freitag, 14. Mai 2010

Warum wir sind, wie wir sind - oder: Langsamdenken

Wir leben im Zeitalter der Extreme, im Zeitalter der Fundamentalismen und Fanatismen. Nun Ja, zumindest gewinnt man diesen Eindruck recht schnell, wenn man sich mit der gängigen Medienagenda auseinandersetzt. Von überall werden derart radikale Meinungen präsentiert und verfochten, dass es einen schnell dazu hinreißt automatisierte Antwortphrasen zu Gunsten eines pseudorealen Harmonisierungsprozesses von sich zu geben.


So tritt man für mehr Toleranz, Rücksichtnahme oder den selbstverständlichen bürgerlichen Protest gegen links- und rechtsextreme Gruppen ein. Ich möchte hier nicht abwägen welche dieser Positionen meiner Meinung nach inhaltlich gut und richtig sind. Vielmehr geht es mir um ein strukturelles Diskursproblem unserer demokratischen Konsensgesellschaft. Nur allzu gerne kreiden wir, wie auch immer motivierten, Extremisten an, sie hätten ihre Ausgangsprämissen falsch gewählt, nicht überdacht oder auf Grund falscher Annahmen entwickelt, und übersehen dabei oft, dass uns eben jener Fehler selbst unterläuft. Will man beispielsweise den Gedanken der Demokratie gegenüber Anhängern absolutistischer Staatsformen verteidigen, so sollte man sich zumindest ein Mal gründlich damit auseinander gesetzt haben, ob die Demokratie es überhaupt wert ist, für sie einzutreten, und warum. Die Grundannahmen, die die eigene Intuition in diesem Zusammenhang stützen sollen, müssen gründlich geprüft und somit entkräftet oder bestärkt werden. Möglicherweise klingt diese Prozedur für den ein oder anderen furchtbar banal, jedoch bin ich der Meinung, führt man diese so unvoreingenommen wie irgend möglich durch, so wären viele Diskussionen heutzutage wesentlich fruchtbarer und um einiges weniger festgefahren. Antwortet man hingegen auf dogmatisierte Polemik und Politpopulismus mit ebenso dogmatischer Phrasendrescherei, so richtig sie inhaltlich auch seien mag, so erreicht man nichts, außer dem Ausbau der bereits etablierten Schützengräben führender Meinungsmacher. Im Vorteil ist, wer sich die Zeit zum Denken nimmt, und nicht auf schon geläufige Argumente zurückgreift. Wir sind Individuen; kollektive Positionsbeziehung ist ein Irrglaube, dem unsere parteigestützte repräsentative Demokratie entsprungen ist. Es gibt selbst bei Übereinstimmungen kleine Nuancen die sich unterscheiden. Jeder muss zu seiner eigenen Stellung in der Welt durch eigene Überlegung gelangen. Adaption von Werten, Gesinnungen und Überzeugungen behindern das eigene Selbstverständnis, das Finden des eigenen "Ichs". Daher gilt es die Perspektive zu brechen, umzudenken und letztendlich alles neu aufzurollen. Erst im Anschluss daran sollte man seine Position verfechten, und zwar so lange, bis ein gegenläufiges Argument die eigenen Überlegungen ins Wanken bringt und somit den Konzeptionierungsprozess von Neuem beginnen lässt. Dieses ständig neue Eruieren ist zwar alles andere als bequem, aber seien wir doch mal ehrlich, hängt uns die heutige apolitische Couchkultur nicht eh zum Halse raus?

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