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Mittwoch, 14. Dezember 2011

Willkommen im Theater

Hallo, ich bin dann mal wieder so weit. Mir platzt mal wieder der Kragen. Im Angesicht von "Rechtsterrorismus und NPD-Verbot", "Rechtsterrorismus und Vorratsdatenspeicherung" und "Terrorismus sowieso und überall", schwillt und pocht meine Halsschlagader mit einer solch hohen Frequenz, dass sich beim täglichen Medienkonsum kindliches Staunen und übler Kotzreiz die Klinke in die Hand drücken. Besser noch: gute Nacht sagen. So glas- und kristall- und sonnenklar wie Guttenbergs "Finte" mit neuer Sturmfrisur und ohne Brillennase anzusehen ist, so überdeutlich entlarven sich die aktuellen Diskutanten über den "Rechtsextremismus" als große, dicke Matschbirnen selbst - und das ohne unser Zutun in Form von angemessener Gummistiefeltrampelei auf eben diesen Mußhirnen. Und das ist ziemlich schade! Nicht nur der Sauerei halber, sondern besonders aufgrund der fehlenden Weitsicht dahingehend, was hier zur Zeit unter dem Pop-Thema "Rechtsterrorismus" überhaupt an Pampelmuse diskutiert, entschuldigung, rumgerotzt wird.



Es ist aber zunächst einmal sogar lobenswert, dass sich die Aufmerksamkeit der Politik und der Medien nun endlich wieder dem Rechtsextremismus widmet. Nachdem zig Morde und brennende Asylbewerberheime gerne unter den Tisch gekehrt wurden, fand sich mit der "Zwickerauer Terrorzelle" ein Aufhänger mit drei stereotypischen Figuren und einer packenden Hintergrundstory, um sich der rechten Gewalt in Deutschland letzten Endes doch wieder irgendwie medial anzunehmen. Reihenweise beleuchten die Medien nun die Geschichte und Geschichten des Rechtsextremismus in Deutschland seit Gründung der BRD - mal gut, mal weniger gut. Und stets mehr schlecht als recht. Denn was hier als Diskussionsgrundlage verkauft wird, ist schlicht und einfach nicht mehr als ein geruchsloser Furz.

So streitet man sich zum Beispiel vortrefflich über ein NPD-Verbot. Die Innenminister arbeiten akribisch an einem Antrag und heizen die Diskussion durch populistische Statements und ein semi-professionell gespieltes Interesse am Rechtsextremismus an. Ein NPD-Verbot muss her, denn eine verfassungswidrige politische Partei gehört in einem demokratischen Staat der eine Verfassung hat, verboten, so der Tenor. So richtig, so oberflächlich. Die andere Seite begnügt sich mit dem Argument, dass ein NPD-Verbot lediglich dazu führe, dass sich das Problem mit den Rechtsextremisten in den Untergrund verlagert. Dass organisatorische Strukturen wie sie die "Zwickauer Terrorzelle" verkörpert, schon längst nichts anderes als Untergrund sind, braucht ein niemand seiner Oma zu erzählen. Die weiss das nämlich schon.

Nächster Punkt: "Rechtsterrorismus und Vorratsdatenspeicherung". Auch hier gibt sich die Pro-Seite eindimensional-neunmalklug: Mit der längerfristigen Speicherung von Online-Daten können wir Terroristen frühzeitig das Handwerk legen. Hätten wir auch schon längst machen können, wenn wir nur gedurft hätten. Jaja, hätte, hätte, Kopftablette. Bedeutet das Leben im Internetzeitalter etwa, dass wir fortan all unsere Probleme mit Kriminalität und der Ermittlung derselben digitalisieren? Ist die Möglichkeit der Voratsdatenspeicherung ein Zewa-wisch-und-weg für die Auseinandersetzung mit Kriminalität an ihrer Wurzel, mit dem handelnden Individuum in der Offline-Welt? Scheinbar schon, denn auch die Contra-Bewegung weist eben nicht auf diese Offline-Blindheit der Befürworter hin, sondern schiebt schön bierbräsig das gute alte, wenn auch wichtige Recht der bürgerlichen Freiheit vor, welches durch die Vorratsdatenspeicherung ohne richterlichen Beschluss erheblich verletzt werden würde.

Dritter und letzter Punkt: "Terrorismus sowieso und überall". Betrachtet man den Terrorismus aus der Perspektive der Politik, gehört die beschriebene Eindimensionalität und Oberflächlichkeit in der Debatte zum subtilen Umgang mit dem Phänomen, bei dem mehr oder weniger bewusst, und wie gezeigt wurde ziemlich ungeschickt, um den Kern des Problems herumpalavert wird. Die Diskussion um rechte Gewalt geht in den Medien nur um das "wie" der Bekämpfung des Terrorismus, nicht aber um das elementare "warum" sich Menschen bestimmten Organisationen anschließen, extremistisches Gedankengut aufsaugen und Gewalt gegen stumpfsinnige Feindbilder anwenden. Die Frage nach dem "warum" führt viel tiefer in die Materie, hat geschichtliche, soziologische und psychologische Fragestellungen zum Gegenstand und dreht sich unter anderem darum, wie rechte Organisationen und Parteien sich besonders in Ostdeutschland eine unbestreitbare Bastion rechten Gedankenguts aufbauen konnten, die über soziale und kulturelle Mechanismen verfügt, mit denen Jugendliche bereits im zarten Schulalter indoktriniert werden. Wie weit verbreitet diese Vertuschungs-Masche des politischen Establishments ist, erkennt man zum Beispiel daran, dass die selbe Taktik in der Integrationsdebatte Anwendung findet und dort ebenfalls am Kern des Themas vorbeiführt, mit dem Effekt, dass unsere Sarrazins und sich selbst ausweisende Islamexperten ihren Senf in der Öffentlichkeit versprühen können.

Ähnlich deprimierend ist es, wenn man mit Leuten darüber debattiert, ob komplexe politische Themen wie Terrorismus und Integration überhaupt politisch erschöpfend vermittelbar sind und sich daraufhin ein Konsens bildet, dass der Bürger ja grundsätzlich einfache, eindimensionale Informationen bevorzugt. Der notwendige Perspektivenwechsel und die Frage nach den Ursachen eines Problems blieben somit der politischen Auseinandersetzung auf der Hinterbühne vorbehalten. Vordergründig sollten nach diesem Schema die einfachen, monokausalen Dinge diskutiert werden, wie es bei der Debatte um den Rechtsextremismus derzeit geschieht. Die Öffentlichkeit wird also mit kleinen Häppchen abgespeist, die allenfalls verständlich und bestenfalls unterhaltsam sind. Besinnt man sich auf das politische Konzept der modernen Demokratie und greift die politische Meinungsbildung in dieser Staats- und Gesellschaftsform auf, fährt das Argument der Vermittlung von einfachen, klein portionierten Informationen ziemlich schnell und geradezu an die Wand. Paradoxerweise ziehen Politiker bei der Diskussion um das NPD-Verbot das Konzept der Demokratie als Argument für ein Verbot heran und treten den elementaren Aspekt der Herstellung von Öffentlichkeit mit all den Facetten abstrakter Themen und Fragestellungen in einer komplexen Demokratie gleichzeitig mit Füßen. Was bleibt ist eine säuerliche Spekulation darüber, warum das "warum" vieler Phänomene so stiefmütterlich behandelt wird und wer sich davon im politischen Prozess welche Vorteile verschafft. Und während unser kritisches Auge durch gut portionierte Informationsbruchstücke zunehmend erblindet, vertuscht die Politik mit der gleichen Methodik ihre Verfehlungen der Vergangenheit. Warum wächst und gedeiht der Rechtsextremismus in Deutschland? Warum gilt die Integration in Deutschland als gescheitert? Fragen über Fragen auf die es nicht immer die einfachste Antwort gibt. Und sowas nennt sich dann Demokratie…

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