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Mittwoch, 2. Juni 2010

Informationsdiät

Wir sind alle Teilchen. Kleinste Elemente eines allumfassenden Systems. Ein System, dessen zentrale Instanzen und Steuerungselemente uns auf den ersten Blick verschlossen bleiben. Obwohl sich das System Tag für Tag öffnet, uns mit Nachrichten und Stories füttert, also etwas inhärentes von sich preis gibt, bleibt es im Grunde dennoch in weiten Teilen undurchschaubar. Wir lesen, hören und sehen in Print und Hörfunk all das, was die Menschen bewegt. Zumindest den minimalen Anteil davon, welchen die Medienabteilung des Systems für erwähnenswert hält. Artgerechte Nahrung oder ungerechte Informationsdiät, wie mans nimmt.


Die Medien erzählen von Krisen und Kriegen in Entwicklungsländern. Von Katastrophen und politischen Unruhen. Sie berichten derzeit von verheerenden Umweltereignissen, die auch vor der Küste einer Industrienation nicht halt machen. Daneben sabotieren sie unsere Gedanken, Gefühle und Geschmäcker, indem ihre Inhalte von unternehmerischen und staatlichen Interessen gelenkt werden. Hinzu kommt, dass sie natürlich rein technisch und strukturell, lediglich im Stande sind, uns Auschnitte der Realität zu präsentieren.

Die Medien sorgen nun als Werkzeuge des Systems, für eine quasi-Informiertheit und eine lückenhafte Expertise bei den Konsumenten. Es entstehen vage Vorstellungen von den relevanten Systeminstanzen und deren Macht, Einfluss und Steuerungsvermögen. Wer überhaupt zu dem Teil der Erdbevölkerung mit einem Zugang zu den Medien gehört, kann sich an dieser Stelle zunächst glücklich schätzen. So weiss man zum Beispiel: Es gibt Kinderarbeit in Afrika. Und Nestlé macht prima Schokolade.

Mit der defizitären Informationshoheit der etablierten "alten Medien" ist es dieser Tage jedoch vorbei. In eigener Sache hat sich das nach grenzenloser Technologisierung strebende System einen ernst zu nehmenden Rivalen in die hauseigene Medienabteilung geholt. Dieser hat sich seit seiner "wilden Phase" Anfang der achtziger Jahre rasch entwickelt: Das Internet ist zu einem komplexen Etwas geworden, das sich durch individuelle Gesetze und Regeln versucht zu definieren. Dieser Selbstfindungsprozess ist noch lange nicht abgeschlossen und wird unter Umständen nie abschliessen.

Es fällt also schwer, den derzeitigen Entwicklungsstatus zu benennen. Man kann jedoch feststellen, dass das Internet permanent Grenzen und Gebote des Systems und seiner klassischen Medienformen missachtet. Das Internet hat seinen eigenen Kopf und setzt der Informationshoheit des Systems ganz frech seine Informationsfreiheit entgegen.
Dadurch ist es natürlich nicht zwangsläufig transparenter, schafft jedoch die Voraussetzungen für eine kritische Öffentlichkeit, die Systemprozesse immer vielschichtiger und gehaltvoller begreifen kann. Es sind im Besonderen alternative Medien des Internets wie Wikis, Blogs, Foren und andere Community-Formen, die es sich zur Aufgabe gmacht haben, die Informationsdiät zu überwinden, indem sie uns immer mehr auch an systemabweichenden Leckereien naschen lassen.

Ich sage nicht, dass es keine kritische Berichterstattung in den traditionellen Massenmedien gibt.
Die Informationen des Internets sind meiner Meinung nach jedoch revolutionär, weil sie so unkompliziert verfügbar sind und kritisches Hinterfragen auf eine nie da gewesene neue, schnelle und einfache Art fördern. Man lernt dabei zunehmend differenzierter auf die Hand zu blicken, die einem täglich die halbleere Futterschale reicht.

Die Diätköche jedoch, arbeiten bereits unermüdlich an digitalen "Light"-Rezepten...

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