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Samstag, 30. Juni 2012

Der Teufel und die Wahrheit Teil 2


Der Teufel und die Wahrheit Teil 1

Es ist klar, dass nach diesen Worten zunächst keiner der auf dem Grabhügel Anwesenden irgendetwas zu sagen hatte. Denn zum einen waren diese Worte so ursprünglich und echt, wie sie noch keiner der Grabräuber jemals gehört oder gedacht hatte, und zum anderen vermittelte das Gesicht mit seinen toten Augen und dem ausgedorrten Gesicht nicht gerade einen gewöhnlichen Eindruck. Doch schnell hämmerte nach dem ersten Schock die gute, alte Menschenvernunft gegen die ehrlosen Hirnhäute, so dass etwa fünf der fünfzehn Anwesenden ihre schmutzigen und mit Erdklumpen beschmierten Beine in die Hand nahmen, die sie dann instinkthaft wie die Tiere zur nächsten Schutzstation trugen. Und so waren es nur noch Zehn.

„HAHAHAHAHAHAAAAA, seht sie euch an, die Ehrlosen, die Grabräuber, die Klugen, die sich aus dem Staub machen, bevor sie das Jüngste Gericht für immer in die Feuerhölle schickt. Wie sie gelernt haben für ihr eigenes Wohl zu sorgen und es sich bei jeder Gelegenheit auf der Seite der Reichen und Sieger gutgehen lassen. Mit dicken Bäuchen und roten Köpfen sehe ich sie dort hinten über die Ebene sprinten. Schaut sie euch an, schaut euch die Köpfe an wie sie glühen vor Scham und Angst. Und jetzt frage ich euch, ihr Dummen und Übriggebliebenen: Hat irgendeiner von Euch einen der Geflohenen erkannt? HAHAHAHHA, antwortet nicht. Ich weiss, dass ihr keinen von denen kennt und erkannt habt. Denn genau das ist die Eigenschaft der Opportunisten. Denn wie Parasiten saugen sie an ihrem Wirt und bleiben doch immer im Schatten und unerkannt! Dabei machen sie womöglich ein paar Abstriche bei den Genüssen und fressen nur die Knochen und den Kot der großen Beute, das mag sein! Dafür lebt es sich am Ärmel und am Hintern des Wirtes aber vorzüglich unerkannt und kuschlig, wie in einem Verlies aus samtenen Kissen mit viel Licht und einem Fensterchen zur Freiheit!
Und nun wollen wir keinen Gedanken mehr verschwenden an die Geflohenen und Schwachen, oder wollt ihr das? Nur noch einen kleinen Gedanken vielleicht, denn ich merke schon, dass ihr euch langweilt und mit den Füßen scharrt. Ich merke, dass einige von euch mit dem Gedanken spielen ihnen hinterherzulaufen, um eure eigene, schäbige Haut zu retten, doch seid euch gewiss: Ein jeder hat sich euer Gesicht hier gut eingeprägt, denn die Augen und Köpfe wenden sich unentwegt unter den Zehn, und ihr werdet niemals in Vergessenheit geraten und obwohl ihr noch hier steht und lauscht, seid ihr doch nur ein Pack ehrloser Menschen, das sich lieber in die geflickten Hosen scheißt, als sich ein paar Tage später von den Übriggebliebenen an den Pranger stellen zu lassen. Und weil es mich gelüstet nach einem kleinen Spielchen mit euch Narren und ich euch endlich wieder lachend sehen will, werde ich euch ein kleines, geschicktes Angebot unterbreiten, welches einige von euch, seien es Fünf an der Zahl, nicht ablehnen werden!

So lautet also mein Angebot: Da ihr nun im Bilde darüber seid, dass eure Körper Seelen- und Herzlos sind und eure Seelen in einem geflochtenen Korb liegen, wie ich es euch am Anfang meiner Rede ausführlich erläutert habe, möchte ich euch darauf aufmerksam machen, dass ich weiss, wo dieser Korb steht und dass ich Euch eure verdorbenen Seelen im Handumdrehen zurück geben kann, auf dass ihr sie schluckt und sie ihren Weg über eure Innereien und das verdorbene Fleisch zurück in eure Körper finden.
Was ihr dafür tun müsst fragt ihr mich? HAHAHAHAAAAAA, das werde ich euch sagen, ja ja,  gleich hier und jetzt sollt ihr es erfahren, gleich hier und jetzt, wo ihr mich mit euren dummen und starrenden Augen anglotzt! Ich fordere zuerst, dass fünf von Euch gleich hier neben mir fünf Gräber ausheben, ja ja ja, ihr habt mich gehört, fünf Gräber sollt ihr ausheben. Welche Fünf mit ihren schmutzigen Händen die Gräber ausheben bleibt allein euch überlassen. Ihr habt die Wahl meine lieben Menschen, macht was immer ihr macht um Fünf an der Zahl zu bestimmen, fünf an der Zahl die mit ihren Menschenhänden fünf Gräber schaufeln, genau neben mir, ja ja ja, so soll es sein und nicht anders. Und wenn ihr die Fünf Männer habt und sie die Gräber ausgehoben haben, so sollen die anderen Fünf sich jeder einen Stein nehmen und den Grabschauflern die Köpfe einschlagen, ja ja ja, die Köpfe einschlagen sollt ihr den Fünfen. Und erst wenn die Hirne zu Brei geschlagen sind und die Körper keinen Mucks mehr von sich geben, erst dann werde ich die Fünf Seelen aus dem Korb fischen und euch damit füttern, auf dass ihr zu besseren Menschen, ja zu Menschengöttern werdet, und die Weisheit zurückerlangt, die ihr einst an mich verkauft habt! Nur zu, meine Seelenlosen, seht zu, dass ihr eure Gräber schaufelt und euch die Köpfe einschlagt, an Steinen mangelt es hier nicht!“

Was daraufhin geschah, entlockte dem Gesicht nur ein mildes, fast unsichtbares Lächeln:
Die Zehn stoben auseinander und suchten den Grabhügel auf allen Vieren nach geeigneten Steinen ab. Sie hechelten wie gejagtes Wild umher und huschten mit ihren großen Augen über das tote Erdreich. Im Affekt schlossen sie unsichtbare Bande und jagten die vermeintlich Schwachen und besonders diejenigen, die sich einfach nicht für die passenden Steine entscheiden konnten. Während die Unentschlossenen teils spitze, teils stumpfe Steine in ihren Händen gegeneinander abwogen, wurden sie von der Meute hinterrücks erschlagen. Auf dem ganzen Grabhügel konnte man Todesschreie und Kampfgebrüll hören, doch alles wurde übertüncht von dem unüberhörbaren und beweiskräftigen Knacken gebrochener Knochen und auseinanderfallender Schädeldecken, welches sich alsbald in ein dumpfes Klopfen verwandelte, nachdem die Knochen gelöst waren, und das mußartige Fleisch von den tollwütigen Händen nur noch seiner ursprünglichen Form beraubt werden musste. Kurz vor dem Ende dieser Szene versuchte der Sechste über den Grabhügel zu fliehen und bekam als Dank dafür die restlichen fünf Steine in den Rücken geworfen, die ihn zweifellos niederstrecken mussten. Als er dort lag und röchelte und ihm der Speichel aus dem Munde rann, spürte er kaum, dass die Steine ihm nur ein paar Rippen gebrochen hatten. Doch es war zu spät einen Entschluss zu fassen, denn als er den Kopf zu heben glaubte, war dieser bereits von einem massiven Steinbrocken halb abgeschlagen worden.
Die restlichen Fünf, die glorreichen Fünf, wie sie manchen vielleicht erscheinen mögen, kehrten der Leiche des Sechsten den Rücken und schlurften hinunter zum offenen Sarg, um dort ihre Seelen und die Weltformel einzufordern. Dabei wären sie einem unbeteiligten Beobachter gerade so vorgekommen, als wollten sie auf dem Jahrmarkt irgendein Rubbellos, oder etwas in der Art, einlösen.

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