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Mittwoch, 4. Mai 2011

Einfach mal stehenbleiben!

Konsum bis zum Erbrechen. Wie Raubtiere krallen sie sich an ihre Waren und stopfen sie in ihre Tüten für den Heimweg. Zum Privatbau, in dem sie ihr eigener Herr sind. Wo sie Familie besitzen und Macht ausüben. Ab nach Hause ohne Pause. Dort angekommen, packen sie das Erleben in dafür vorgesehene Schränkchen, Regale und Fächer. Das Ei, das nicht nur Schokolade sein kann, sondern zugleich Spielzeug sein muss. Den Bier-Mix, den Party-Mix, möglichst viel in einem Produkt. Ganze Länder in Chipspackungen. Natur in ihrer deformiertesten Form: Exotische Früchte im Früchte-Mix. Aber bitte mit Schokoglasur und davon nur drei. Dafür mit richtig viel Plastik umhüllt. Sie fordern schließlich was für ihr Geld und zollen ihrem Irrglauben damit Tribut, denn ...



es ist gar nicht ihr eigenes Geld. Das Geld ist dazu da, gegen ein Produkt getauscht zu werden, um dann noch mehr Geld zu produzieren. G-W-G, und wo bleibt der Mensch? Er darf mal kurz glotzen und auf die Geilheit des Geldes masturbieren. „Geiz ist geil!“ Und die Werbung manipuliert an vorderster Front. Der Besitz von Geld ist ein Trugschluss. Für die Mehrheit…

Leben im Exzess. Wer verträgt am meisten? Wettsaufen, Musik auf die Ohren, Drogen nehmen. Bis zur Besinnungslosigkeit tanzen. Im zarten Rausch dahinbröckeln. Neue-Leute-kennenlernen ist jetzt Trendsportart. Grenzen sehen, Grenzen überschreiten. Immer hart am Limit. Immer auf dem Weg zur Selbstzerstörung. Grelles Licht blendet die Augen, schrille Töne betören die Ohren. Scharfes Ethanol betäubt die Nerven. Leidenschaftliche Küsse treiben den Rausch mit Adrenalinpeitschen bis hin zum Absturz. Sie sind betäubt, aber vollkommen glücklich.

Nur für den Moment. Am nächsten Morgen ist das Gefühl verflogen. Angst macht sich breit. Angst vor Bedeutungslosigkeit, Angst davor, etwas zu verpassen. Angst nicht mehr gebraucht zu werden. Angst in der Masse unterzugehen.
Also jagen sie nach jedem Zipfel der ein wenig Sinn stiftet. Apple wird zur Religion. Und betrügt die ahnungslosen Schafe mit Individualismus-Propaganda und Bequemlichkeit, Einfachheit, Schnelligkeit. In Wahrheit werden sie zu Apfelknechten degradiert und in Berlin Mitte ausgestellt. Ausgestattet mit iPhone, iPod, iPad, iMac- iDerDaus das stinkt nach faschistischer Gleichmache. Und während der Apfel infiltriert und mitdenkt, glauben sie immer noch, dass sie es sind, die die Kontrolle besitzen und mit jedem neuen Endgerät eine Aufwertung erhalten. Erhalten ist passiv - und so sind sie. Sie merken nicht, dass es die Religion ist, die sie kontrolliert. Die sie mit Reizen überflutet um sie willenlos zu machen. Immer erreichbar, immer up-to-date, immer bereit zur Aufnahme. Eine hauchdünne Membran mit dem iRezeptor – Sie tragen die Droge jederzeit bei sich.

Im Taumel von Schnelligkeit und Schwindel bleibe ich stehen. Dann wage ich einen Blick von außen: Wo stehen wir gerade? Wer sind wir? Wer werden wir gewesen sein?


Ich halte die Zeit an und verfolge sie in die Vergangenheit. Ich sehe die Evolution des Menschen. Ich finde Unterdrückte und Unterdrücker. Ich sehe Klassen und Schichten. Ich stoße auf Gesellschaften, die sich anhand verschiedener (wissenschaftlicher) Prinzipien etablieren. Dann bemerke ich die Wissenschaften, die es immer wieder schaffen Strukturen aufzubrechen, um mit einem neuen Geist gesellschaftliche Veränderungen einzuleiten und alles zunehmend zu rationalisieren. Im Zuge dieses sogenannten Fortschritts, bildet die Ökonomie nach und nach den Kapitalismus als ihr Prinzip aus, welcher dem Kapital die gesellschaftliche Ordnungsfunktion schlechthin verleiht.

Über die menschlichen Grundbedürfnisse hinaus, gilt es nun Geld, Eigentum und Anerkennung zu vermehren um bestimmte gesellschaftliche Positionen zu besetzen und sich zu etwas Besonderem zu erheben. Unabdingbar ist in diesem Zusammenhang das ständige Besitz- und Profitstreben aller Gesellschaftsmitglieder im sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Sinne. Angetrieben durch die Konkurrenz in all diesen Bereichen, wird Wachstum das Mittel zum Zweck. So muss der moderne Mensch gemäß eines Leistungsgedankens seine Arbeitskraft immer effektiver als andere verkaufen und verwerten, wobei der Wert seiner Arbeit anhand von Geld und Gewinn gemessen wird. Er muss möglichst viel Eigentum an kulturellen Gütern, sozialen Kontakten und Bildung besitzen, damit er etwas ist, damit die Gesellschaft ihn als etwas anerkennt. Dabei ist die Beurteilung der Gesellschaftsmitglieder durch die Gesellschaft immer die Gleiche: Sie orientiert sich am reinen Geldwert und am Wachstum der Lebensäußerungen und Schöpfungen des Individuums. Nicht aber an einem sozialen Wert oder einem Wert für die Umwelt, den jeder Einzelne mit seinem Handeln zwangsläufig schafft. Dabei wird der egoistische Mensch, der als ein von Gier getriebener Einzelgänger in seiner eigenen Geschichte lange unter Verruf stand, heute in die höchste Ratio erhoben und bekommt in den Wissenschaften sogar seinen eigenen Namen: Homo oeconomicus. Die öffentliche Meinung und politische Kunde, die dieses Beurteilungs- oder Bewertungsverfahren stützt, verdient allerdings das Prädikat „böser Irrtum“: Denn hier wird das Wort Wachstum im Kontext von Aufbruch und Fortschritt verwendet und suggeriert damit, dass sich Gesellschaft zum Besseren wandeln kann und soziale Probleme gelöst werden, wenn alles nur größer und schneller wird: Verbesserung der sozialen Zustände durch Wachstum also. Ist das so?

Während Wachstum und Profitstreben vom Staat gerne als Lösung von Problemen wie Hunger und Knappheit an Arbeit und Gütern kommuniziert wird, verschleiert diese Perspektive deren eigentliche Wirkung im Sinne des Kapitalismus: Das Entstehen von Ungleichheit und Ungerechtigkeit. Die Ausbeutung vieler zur Aufrechterhaltung des Wohlstandsniveaus weniger. Um diesen Zustand zu erhalten, produziert das Wachstum Billiglohnländer und Umweltzerstörung, Ressourcenraub in jeder Hinsicht auf der einen Seite, um Überfluss auf der anderen zu schaffen. Das ist der Kern unserer Wirtschafts- und Lebensweise. Das Prinzip von Profitstreben und Gewinnmaximierung. Genau daran orientieren sich Unternehmen, auch wenn sie sich einen grünen Stempel aufdrücken. So verschifft Vattenfall jährlich mehrere hunterttausend Tonnen Holz aus Liberia, interessiert sich einen Dreck für die Energiearmut in diesem Land und verkauft die verbrannten Holzschnipsel zur Energiegewinnung als „nachhaltig“ und „klimaneutral“. So importieren wir unser altes, neues Lieblingsobst, den Bio-Apfel mittlerweile im Akkord aus China, weil hiesige Biobauern nicht mehr in der Lage sind die wachsende Nachfrage zu decken. Viel mehr als dass wir die Welt dadurch nachhaltiger und fairer machen, droht uns ein Fehlschluss „in grün“. Wenn „grün“ nämlich Konkurrenz bekommt, dann heißt es wieder Sparen, Löhne senken, effektiver werden und allem voran: wachsen.

Es zeichnet sich also ab, dass Wachstum im Kapitalismus kein Heilmittel für soziale Probleme sein kann. Denn es ist selbst das Problem, was es zu hinterfragen und einzudämmen gilt. Wir müssten eigentlich aufhören zu wachsen um wirklich etwas verändern zu können und um gerechter und fairer zu werden. Und das weltweit. Das von vielen Neo-Liberalen beschworene Argument hingegen, wonach Menschen Anreize bräuchten um Leistung zu bringen und Wachstum deshalb unausweichlich und notwendig sei, wird viel zu oft in eine rein wirtschaftliche Sichtweise eingekastelt und verhindert somit die Sicht auf verschiedene Ideen der "Postwachstumsgesellschaft". Wie wäre es zum Beispiel, wenn wir Arbeitszeiten kürzen und ein Grundeinkommen einrichten, während wir gleichzeitig Menschen bilden und ihnen klar machen, dass sie ihr Glück auch in kreativen, sozialen und ökologischen Ideen finden können?

Dann müssten wir beim Wachstum wahrlich über uns hinaus wachsen und uns neuer Gesellschaftsformen bedienen, die auf neuen ethischen Grundsätzen beruhen: Grundsätze die das Wachstum als Irrfahrt begreifen und neue soziale Werte schaffen, die fortan als "Entlohnung" für unsere "Leistungen" stehen. Einmal in der "Postwachstumsgesellschaft" angekommen, müssten wir uns von den Menschen der Zukunft sagen lassen, dass wir mal wieder eine Wende in der Entwicklung der Menschheit hinbekommen haben. Sie werden sich auch fragen warum wir das überhaupt forderten und wie wir unsere Ideen umsetzten, wo wir doch mit iPod, Habgier und Exzess so lange Zeit so "gut" gelebt haben.
Unser Erfolgskonzept kommt von Oli Kahn (Ex-Profitorwart, Sportjournalist, Berater und Titan):

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